Sunderlands Bücherregal 3/2023

Seit Mai ist viel passiert. Der Eurovision Song Contest hat stattgefunden, ich habe einen weiteren Binge-Writing-Monat durchgeführt (mehr dazu auf meiner Webseite) und mir danach eine kleine Pause vom Schreiben gegönnt. Und erst während letzterer konnte ich mal wieder mehr Zeit zum Lesen finden. Und das heutige Buch ist mal wieder eine Ausnahme in der langen Reihe an Thrillern, die ich sonst so lese - es soll auch nicht die letzte sein.


Autorin: Jennette McCurdy
Buchtitel: I'm Glad my Mom died
Originaltitel: I'm Glad my Mom died
Jahr der Veröffentlichung: 2022
Seitenanzahl: 305 Seiten
Kapitelanzahl: 91 Kapitel
Verlag: Simon & Schuster
Serienangaben: keine

Normalerweise lese ich selten Biografien/Autobiografien. Deswegen ist die Einzige, die ich bisher gelesen habe, auch in einem März-Spezial gelandet. Doch jetzt haben wir August und ich möchte trotzdem gerne darüber schreiben, wie ich diese Geschichte aus dem wahren Leben empfunden habe.

Ich war nie ein großer Fan von iCarly und habe Victorious stets bevorzugt (beide Serien stammen von Dan Schneider). Trotzdem war mein Interesse groß, als Jennette McCurdy ihr Buch herausbrachte. Dies lag aber eher daran, dass zuvor schon viele negative Dinge über Serien-Schöpfer herausgekommen waren, unter welchem die junge Schauspielerin arbeiten musste.

INHALT:
Jennette berichtet in ihrer Biografie davon, wie sie durch ihre Mutter Debra, die den Krebs schon einmal überlebt hatte, dazu gedrängt wurde, die Schauspielerei aufzunehmen. Dafür hat sie sich selbst komplett vernachlässigt, weil sie es als ihre Mission sah, ihre Mutter glücklich zu machen. Ehrlich und ungeschminkt kommen dabei nicht nur die Abgründe der Film- und Fernsehindustrie zum Vorschein, sondern vor allem die Abgründe einer problematischen Mutter-Tochter-Beziehung.

FAZIT:
Viele Dinge, die ich gelesen habe, haben mich komplett fassungslos gemacht. Von Anfang an konnte ich nicht verstehen, wieso niemand den Tsunami, der Jennettes Mutter war, stoppen konnte oder wollte. Zumindest für das Wohl des Mädchens. Denn sie lebte auch mit ihren Brüdern, ihren Großeltern und zeitweise war ja auch ihr Vater anwesend. Der Umgang, die verletzenden Worte und die psychische Manipulation verengen einem die Brust. Spätere missbräuchliche Handlungen waren auch gerade die Spitze des Eisbergs, nach meiner Meinung. 

Sehr interessant zu lesen war der innere Konflikt, der beinahe konstant in McCurdy zu toben schien. Eine Stimme hinterfragte Dinge wie zum Beispiel warum sie sich nicht wehrte, wenn ihr etwas unangenehm war. Doch sie selbst brachte sich bei, immer diejenige zu sein, die Anweisungen Folge leistete. Auch, wenn sie fühlte, dass es falsch war bzw. dass sie sich damit nicht wohlfühlte. Dies tat sie aber auch nur, da man ihr sagte, es würde sie weiterbringen.

Die Beziehung zu ihrer Mutter hat auch ihre Wahrnehmung von Liebe und Leidenschaft auf eine ungesunde Weise verzerrt, wie in späteren Kapiteln zu lesen ist. Manchmal wirkt es, als verstände sie alles und gleichzeitig nichts von dem, was emotional mit ihr los war. Als stünde sie neben sich, könnte sie aber nicht selbst erkennen.

Ich finde es bemerkenswert, dass sie als Autorin es schafft, all diese schlimmen Ereignisse ihres Lebens in Worte zu fassen, die den Leser manchmal sogar zum Lachen bringen, da sie auch eine sehr feine Art von Humor in das Ganze hat fließen lassen. Man merkt ihrem Stil an, wie gerne sie sich mit Worten umgibt und wie sie nach dem Tod ihrer Mutter endlich die Dinge tun kann, die sie möchte. Diese hatte nämlich zeit ihres Lebens immer von Jennette verlangt, die Schauspielerei bedingungslos an die erste Stelle zu stellen.

Leider trat dieser Effekt, für sich selbst zu bestimmen, nicht direkt ein, denn direkt nach dem Tod ihrer Mutter befindet sie sich erstmal auf verlorenem Kurs und hatte das Gefühl, ohne sie keine Richtung zu haben, in die sie sich bewegen konnte. Den steinigen Weg zu lesen, den sie gehen musste, um endlich ein normaleres Leben zu führen, ist verstörend und herzzerreißend zugleich. Die Höhen und Tiefen machen einem bewusst, was der Einfluss eines Menschen auch nach seinem Verschwinden noch bewirken kann.

Was diese Lesung auch anders gemacht hat, war der stetige Gedanke, dass nichts an dieser Handlung irgendwo ausgedacht wurde (vielleicht wurden einige Sachen ausgeschmückt, aber wirken tut es nicht wirklich so). Es ist ein Bericht aus dem echten Leben. All diese Dinge sind der Autorin passiert. Sie musste mit all diesen Geschehnissen irgendwie klarkommen (man muss bedenken, sie war für die längste Zeit ein Kind/Teenager), da sie wusste, dass sie weder darüber sprechen, noch sich dagegen wehren konnte. Ich empfinde tiefes Mitleid mit Jennette McCurdy, dass ihr Leben so grausam zu ihr gewesen ist. Und ich hoffe, dass nun, nachdem sie dieses Buch von ihrer Seele geschrieben hat, alles besser ist für sie. Denn das "Ende" scheint zu implizieren, dass sie sich endlich von ihrer Mutter lösen konnte und verstanden hat, wie missbräuchlich diese sie behandelt hat. Es deutet an, dass sie ihre Essstörungen im Griff hat und endlich glücklich sein kann. Und das wünsche ich ihr auch.


Aus Respekt vor all dem, was in diesem Buch geschehen ist, werde ich dieses Mal keine Wertung abgeben. Denn es fühlt sich richtig an, reale Ereignisse in eine Schiene mit fiktiver Belletristik zu stellen. Es ging bei dem Buch auch nicht darum, das Lesen zu genießen, sondern mehr darüber zu erfahren, was passiert, wenn man schon als Kind dazu gezwungen wird, zu springen, wenn man pfeift. Ich habe tiefen Respekt davor, all diese Ereignisse aufzuarbeiten, Wunden aufzureißen und sich auf Erinnerungen einzulassen, von denen die Autorin wahrscheinlich gehofft hatte, sie nie wieder hervorkramen zu müssen. Es war eine interessante Erfahrung für mich, einen so verletzlichen Bericht zu lesen.

Auch in Zukunft möchte ich gerne Biografien/Autobiografien und Memoiren (manchmal lässt sich für mich schlecht einordnen, wo die Grenzen zwischen diesen einzelnen Bereichen liegen) in diesen Blog einfließen lassen - sofern mich die Personen hinter den Büchern interessieren, so wie bei Jenette McCurdy oder damals bei Lindsey Stirling. Als Nächstes werde ich aber wieder ein ganz normales Buch vorstellen. Ich weiß nur noch nicht, welches.

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