Sunderlands Bücherregal 4/2021

*Das persönliche Buch des Jahres 2021!*

Im September habe ich in meinem Hauptblog darüber geschrieben, wie ich immer versuche, möglichst viele Bücher zu lesen und folglich auch vorzustellen. Das ist aber ein Konzept, das mir nicht mehr gefällt. Deshalb hatte ich das Buch, das ich zu dem Zeitpunkt angefangen hatte und irgendwie nicht weiterlesen konnte, einfach zur Seite gelegt und mir das aus dem Regal gegriffen, das mich in dem Moment am meisten interessiert hat. Das habe ich bis gut nach der Hälfte beinahe verschlungen. Und jetzt, im Dezember, habe ich es nach längerer Pause endlich beendet. Deshalb bekommt ihr heute als Nikolaus-Geschenk diese Rezension von mir.


Autorin: Tess Gerritsen
Buchtitel: Das Schattenhaus
Originaltitel: The Shape of Night
Jahr der Veröffentlichung: 2019
Seitenanzahl: 350 Seiten (englische Ausgabe)
Kapitelanzahl: 31 Kapitel
Verlag: Ballantine Books
Serienangaben: Stand-Alone


Die Buchindustrie wird irgendwie immer teurer. Inzwischen gibt es nicht nur gebundene Ausgaben und Taschenbücher - sondern erst große Broschur-Ausgaben und dann die Taschenbücher. Die Broschuren kosten 13 - 15 € pro Buch! Als ich das Schattenhaus entdeckte, war ich zwar interessiert am Inhalt, doch abgestoßen vom Preis. Also habe ich bei Thalia gestöbert - denn dort gibt es ein Regal für englische Bücher! Und dort fand ich die englische Ausgabe für einen besseren Preis (bis zu 5 € weniger waren es, glaube ich). Diese habe ich dann auch gekauft. Eine sehr gute Entscheidung.

HANDLUNG:
Nach einem schicksalhaften Ereignis verlässt Ava Collette ihre Heimat Boston - sie will das Kochbuch, das sie im Moment schreibt, an einem einsamen und ruhigen Ort an der Küste Maines fertigstellen. Sie beschließt, sich in einem Ort namens Tucker Cove ein Haus zu mieten und dort ihren alten Dämonen zu entfliehen. Doch es gibt etwas über Brodie's Watch, das ihr die Einheimischen verschweigen. Warum? Und was ist mit der Frau geschehen, die zuvor das Haus des alten Kapitäns gemietet hat?

Ich liebe Geschichten, die an tollen Orten spielen. Und ein kleiner Ort in Maine (Neuengland) bietet einfach eine geniale Ästhetik für den Leser. Zwar kann ich nicht behaupten, jemals am Meer gewesen zu sein, doch die beschriebene Szenerie macht große Lust darauf. Peitschende Wellen, der salzige Seeduft und eine friedliche und zurückgezogene Idylle. So scheint es aber nur, denn mit dem Fortschreiten der Geschichte zeigen sich auch durchaus die Abgründe - in der Dunkelheit lauert vieles auf einen. Und wenn man ein Außenseiter ist, wird man auch so behandelt. Oft sich die Bewohner solcher kleinen Städte eine verschworene Gemeinschaft. Höflich zu Touristen, aber argwöhnisch gegenüber zu vielen Fragen über die Vergangenheit.

ein alternatives Cover
Die beschriebene Hauptfigur Ava ist ein gut entwickelter Charakter, auch wenn ihre Schwächen ein bisschen Klischee sind - wie viele Protagonisten trinken gerne mal einen über den Durst. Natürlich spielt dieser Zug in den Plot der Geschichte mit herein. Auch das Geheimnis, das Ava aus Boston vertrieben hat, schafft es, das Interesse an ihr zu halten. Denn es wird erst in den letzten Kapiteln aufgedeckt, was sie nach Brodie's Watch gebracht hat. Die weiteren Charaktere um sie herum wirken auf mich glaubhaft aufgebaut, von der Maklerin bis zum Arzt und schließlich dem Medium Maeve. Auch die geisterhafte Erscheinung Brodies, die Ava heimsucht, ist gut geschrieben worden.

Der Stil von Gerritsen, auch weil er unverfälscht durch Übersetzung ist, liest sich sehr angenehm. Sie weiß, wie man mit Worte den Leser in seine Bücher lockt und sie dort hält. Gerade die Vielfalt der englischen Sprache hat dieses Lese-Erlebnis bereichert, ich habe sogar ein paar neue Wörter für mich erschlossen. Zum Beispiel war mir vorher die Bedeutung des Wortes benign nicht bewusst. Auch lässt es sich gut vorlesen, da nur selten wirklich komplizierte Sachen geschrieben wurden. Gut verständlich anhand mehrerer Gesichtspunkte würde ich sagen.

Bevor jemand sich daran stört, dass ich die Katze aus dem Sack gelassen habe (ach ja, und ich fand Avas Katze auch ganz toll): Der Klappentext der englischen Ausgabe klärt bereits darüber auf, dazu aber später mehr. Auf jeden Fall glaubt Ava, Gespenster zu sehen, die in Brodie's Watch die Ewigkeit verbringen. Und gerade diese Komponente hat mich ziemlich aus dem Konzept gebracht. Denn erst dachte ich an einen Thriller oder einen Mystery-Roman, doch dann diese starke übernatürliche Komponente, die die Story dominiert, ohne sie lächerlich zu machen, hat mich zutiefst beeindruckt. Es gibt Mystery, Geister, Erotik sogar - und ein packendes Finale. Hierzu muss ich aber sagen, dass ich ab einem bestimmten Punkt ein ganz mulmiges Gefühl bei einer Figur hatte. Da schien mir was im Argen zu sein. Und das Ende zeigt mir, ich hatte recht. Immer ein gutes Gefühl, einen Plot zu erraten, zumindest für mich. Gerade deswegen ist die Handlung absolut gelungen.

Jetzt zum Klappentext. Im Deutschen klingt das Buch etwas mehr nach Mystery und lässt die übernatürliche Komponente weg - erst auf dem englischen Buch fand ich Verweise darauf, dass es hier auch um Geister/Erscheinungen geht. Man kann jetzt darüber streiten, was sich besser vermarkten lässt. Ich persönlich denke, dass es gut ist, genug über den Plot eines Buches zu wissen, deswegen ziehe ich hier wirklich die englische Ausgabe vor. Was vor allem ins Auge sticht - die Amerikaner lieben es, ihre Lobeshymnen auf und in die Bücher zu drucken. Vorne Empfehlungen, hinten Empfehlungen, drinnen Empfehlungen von Leuten, die das Buch toll fanden. Zähle ich mich auch zu. Was das Cover meiner Ausgabe betrifft, so finde ich es viel schöner als das deutsche, das ich damals in der Hand hielt. Ein Haus an der Küste, schwarz, blau und ein leichtes Pink für den Sonnenuntergang. Die Silhouette einer Frau auf den Felsen. Es ist sehr ansprechend und gibt den Ton des Inhalts gut wieder. Die deutsche Gestaltung hingegen habe ich grau in Erinnerung, was für mich keinen guten Eindruck macht. Ich muss dazu sagen, dass mich der Name der Autorin aufmerksam gemacht hat und ich deswegen mal hinten draufgeschaut habe. Der Klappentext war gut, der Preis nicht. Und jetzt bin ich hier. Was eine Reise.


Bewertung:
5/5 - Schreibstil
5/5 - Charaktere
5/5 - Handlung
5/5 - Optik
(20 von 20 Sternen)


Wie man an der Wertung sieht, habe ich nichts wirklich auszusetzen. Denn oft empfinde ich ein gewisses Unwohlsein, wenn mir ein Buch nicht gefällt oder ein Aspekt mich stört. Hier gab es so etwas einfach nicht, was mich freut. Vielleicht werde ich dieses Buch irgendwann noch einmal lesen und es dann hoffentlich genauso genießen wie dieses Mal. Apropos genießen: Da das Jahr bald zu Ende ist, werde ich bis zu meinem Geburtstag einige meiner Lieblingshörbücher wieder anhören. Damit möchte ich an die Zeiten der letzten Male denken, wo ich sie gehört habe und mich einfach wieder in diese Geschichten fallen lassen, die ich immer und immer wieder erleben mag. Wenn ich also nichts Neues mehr anfangen sollte, wünsche ich euch jetzt schonmal schöne Festtage.

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