Sunderlands Bücherregal 2/2020

*Das persönliche Buch des Jahres 2020!*

Es passiert oft genug, dass ich auf Bücher aufmerksam werde, die mit Serien oder Filmen zu tun haben. Wer sich die Ausgaben dieser Rubrik der letzten Jahre ansieht, wird sehen können, welche Serien und Filme ich meine. Natürlich lese ich auch andere Bücher, die nichts mit Fernsehen zu tun haben. Doch dieses Buch ist anders. Denn es basiert auf einem Musical, dessen Musik zu Tränen rührt.


Autoren: Val Emmich (mit Steven Levenson, Benj Pasek & Justin Paul)
Buchtitel: Dear Evan Hansen
Original-Titel: Dear Evan Hansen
Jahr der Veröffentlichung: 2018
Seitenanzahl: 360 Seiten
Kapitelanzahl: 26 Kapitel (+ Epilog)
Verlag: Penguin Books UK
Serienangaben: Stand-Alone-Roman


Das Musical gibt es hier in Deutschland noch gar nicht (glaube ich), weswegen ich seit 2015, wo es erstaufgeführt wurde, keine Ahnung hatte, das es existiert. Es war ein großer Hit in den USA, was den Songschreibern Pasek & Paul viel Ruhm eingebracht hat. Erst als ich den Film The Greatest Showman entdeckt habe, sind mir diese Namen begegnet. Und wenn es anders gekommen wäre, dann spätestens bei der Real-Verfilmung von Aladdin, bei der die beiden mit Alan Menken am Soundtrack gearbeitet haben.

Ben Platt (Evan Hansen)
Im letzten September habe ich mich darauf eingelassen, die Broadway Cast Recording zu hören, die es auf Spotify gibt. Nachdem ich das Album zwei oder drei Mal durchgehört hatte, war ich vollkommen gefangen. Die Texte berühren, bringen einen zum Lachen, aber auch zum Weinen und man hat dieses Gefühl, eine direkte Verbindung zu der Geschichte zu haben. Man fühlt sich verstanden. Man fühlt sich weniger allein. Doch genug über die Songs für jetzt - nun zum Buch.

HANDLUNG:
Das Leben von Evan Hansen ist ziemlich unscheinbar. Von seinen Mitschülern unbemerkt lebt er tagein, tagaus mit seinen sozialen Ängsten. Sein Therapeut rät ihm, sich jeden Tag selbst einen Brief zu schreiben, um in ihm positive Gedanken zu wecken. Doch eines Tages gerät einer dieser Briefe zufällig in die Hände von Connor Murphy, einem eher unbeliebten Schüler. Bevor Evan es verhindern kann, verschwindet Connor mit dem Brief. Als dann einige Tage später die traurige Nachricht umgeht, dass Connor tot ist, wird Evan plötzlich von den anderen bemerkt - denn durch den Brief denkt jeder, die beiden währen beste Freunde gewesen. Evans Leben verändert sich, jedoch nicht nur zum Guten...

FAZIT:
Es gibt über diese Geschichte so viel zu sagen, dass ich selbst bei der Zusammenfassung der Handlung gar nicht wusste, wo ich aufhören soll. Zuerst einmal möchte ich den Plot als für mich ziemlich einzigartig beschreiben. Noch nie habe ich eine solch emotional fordernde Geschichte gelesen. Zwar habe ich schon immer viel in die Figuren und ihre Handlungen interpretiert, doch dies hier wirkt so echt, so nah. Man fühlt sich mittendrin. Gehört dazu. Die Kapitel haben alle eine adäquate Länge, einige haben als Abschluss eine zweite Sichtweise (von der üblichen Evan-Erzählung): In dieser erfahren wir, was Connor, der eigentlich längst nicht mehr da ist, von allem denkt. Ich fand das zuerst etwas komisch, doch es macht die Story noch viel intensiver, wenn der verstorbene selbst seine Stimme nutzt. Auch zeichnet sich der Plot dadurch aus, der er einem kein standardisiertes Happy End vorklatscht. Es ist nicht alles gut, aber auch nicht alles schlecht. Wie das Leben halt spielt.

Die einzelnen Charaktere waren schon klar beschrieben, allen voran Evan, der Protagonist. Seine Einstellung zu sich selbst gibt dem Leser das Bedürfnis, ihm ein guter Freund zu sein. Damit es einen Menschen gibt, der ihn bemerkt. Die Figur Connor erfährt vor allem durch seine Aussagen zur aktuellen Situation einen Ausbau. Denn viele denken über Connor, dass ihn keiner mochte, weil er böse war, oder so. Dabei lernen wir, dass es bestimmte Dinge in seinem Leben gab, die ihn geformt haben. Was man gut nachvollziehen kann, den wem geht es anders. Die Familie Murphy macht einen sympathischen, aber auch verzweifelten Eindruck, da ihnen wohl bewusst ist, das sie etwas bei ihrem Sohn/Bruder hätten besser machen sollen. Evans Mutter wirkt, als wolle sie alles im Griff haben, weiß aber nicht richtig wie, da es in ihrem Leben so viel Baustellen gibt. Andere Figuren wie Alana oder Jared, die Evan aus der Schule kennt, schaffen ebenfalls eine gute Portraitierung der Realität. Vor allem Jared kann irgendwie ein Arschloch sein. Alana ist sehr zielorientiert und organisiert. Man merkt also, dass viel Zeit in die Entwicklung der Figuren investiert wurde.

Pasek & Paul
Ich habe das Buch auf Englisch gelesen. Zuerst war ich nicht sicher, in welcher Sprache ich es lesen soll. Allerdings habe ich das Buch dann einfach bestellt, ohne der Verkäuferin das zu sagen. Und da es wohl am naheliegendsten war, wurde es die englische Ausgabe. Für mich kein Problem. Der Schreibstil ist schön einfach gehalten und hat mich vor keine unlösbaren Rätsel gestellt. Der Autor (ja, Val Emmich ist ein Mann), der zusammen mit Pasek & Paul (Musik) und Levenson (Drehbuchautor) die Romanfassung erstellt hat, ist sehr vorsichtig und zärtlich mit der Umsetzung umgegangen. Das merkt man auch, da man beim Lesen oft über Fragmente stolpert, die den Lyrics des Musicals entspringen. Und genau das finde ich grandios gemacht, es bildet eine tolle Brücke zwischen der Show und dem Buch.


Das Buchcover finde ich richtig schön gemacht. Denn der Baum spielt eine sehr zentrale Rolle für die Figur Evan, was man hier gut aufgegriffen hat. Auch in den Texten tauchen immer wieder Referenzen zu der Geschichte mit dem Baum auf. Das gilt übrigens für sowohl die deutsche als auch die englische Version. Der einzige Unterschied ist, glaube ich, der Schriftart für den Buchtitel. Die Rückseite liefert eigentlich keinen Klappentext, sondern fast die Prämisse in wenigen Worten sehr prägnant zusammen. Vielleicht hat man das so gemacht, weil durch das Musical ohnehin schon viel bekannt ist.


Bewertung:
5/5 - Schreibstil
5/5 - Charaktere
5/5 - Handlung
5/5 - Optik
(20 von 20 Sternen)


Für alle, die sich näher mit der Geschichte beschäftigen möchten, empfehle ich nicht nur, das Buch zu lesen, sondern sich auch die Musik anzuhören. Weil es sind die Texte, die helfen zu verstehen, was in diesen Figuren wirklich vorgeht und ich glaube, das ist eines der besten Musicals, das mir je untergekommen ist. Und ich habe noch nicht viele Musicals gesehen in meinem Leben. Ein einziges habe ich gesehen. Eigentlich zwei, aber das zweite zählt nicht, weil das war auf YouTube. Aber wenn man mich nach meinem Lieblings-Musical fragen würde, dann würde ich sagen: Mein Lieblings-Musical ist Dear Evan Hansen.
Der Evan Hansen Original Broadway Cast 2015

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